Der Tourismus an der deutschen Nordseeküste steht vor neuen Herausforderungen und Chancen. Eine aktuelle Studie, der "Nordsee Tourismus Report 2024", offenbart einen wachsenden Trend: Barrierefreiheit gewinnt für Urlauber zunehmend an Bedeutung.
Die Umfrage, durchgeführt von der Oldenburger Unternehmensberatung Pathfinding AG, zeigt, dass für 34% der Befragten Barrierefreiheit ein wichtiges oder sehr wichtiges Kriterium bei der Wahl ihres Urlaubsortes und der Unterkunft ist. Holger Herweg, Vorstand der Pathfinding AG, betont die Überraschung über diese große Gruppe.
Barrierefreiheit betrifft nicht nur Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Sie umfasst auch Familien mit Kinderwagen, Reisende mit viel Gepäck oder Personen mit temporären Verletzungen. Die Expertin für Barrierefreiheit, Regina Hillmann, unterstreicht die Vielfalt der Zielgruppe: "Die Zielgruppe für barrierefreie Angebote ist viel größer als man landläufig meint."
Die deutsche Nordseeküste, die sich über etwa 1.200 Kilometer erstreckt, bietet eine einzigartige Landschaft mit dem UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer. Diese Region, bekannt für ihre Gezeiten mit Höhenunterschieden von bis zu 14 Metern, zieht jährlich Millionen von Besuchern an. Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region, die auch 230 Fischarten beherbergt.
Experten sehen ein großes Potenzial für die Nordsee-Tourismusregionen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, sich durch verbesserte barrierefreie Angebote im Wettbewerb zu positionieren. Dies könnte nicht nur die Attraktivität für bestehende Zielgruppen erhöhen, sondern auch neue Besucher anlocken.
Allerdings gibt es noch Herausforderungen zu bewältigen. Hillmann weist darauf hin, dass viele Online-Buchungsportale noch nicht barrierefrei gestaltet sind, was die Suche nach geeigneten Unterkünften erschwert. Dies zeigt, dass der digitale Aspekt der Barrierefreiheit ebenso wichtig ist wie die physische Zugänglichkeit vor Ort.
Die Nordseeregion, die auch für ihre Offshore-Windparks und als wichtiger Handelsweg bekannt ist, steht vor der Aufgabe, ihre Infrastruktur anzupassen. Angesichts des Klimawandels und des steigenden Meeresspiegels ist es umso wichtiger, nachhaltige und zugängliche Tourismuskonzepte zu entwickeln.
Die Umfrage, die auf Interviews mit 7.366 Menschen basiert, darunter 2.340 Nordsee-Urlauber, zeigt auch, dass für 37% der Befragten Barrierefreiheit wenig bis keine Relevanz hat. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, ein ausgewogenes Angebot zu schaffen, das verschiedene Bedürfnisse berücksichtigt.
Die Nordseeinseln und Küstenorte, die seit dem 19. Jahrhundert als Seebäder etabliert sind, haben die Chance, durch innovative barrierefreie Konzepte ihre Attraktivität zu steigern. Der Nationalpark Wattenmeer, der große Teile der Küste schützt, könnte dabei eine Vorreiterrolle einnehmen.
Indem die Tourismusbranche an der Nordsee auf Barrierefreiheit setzt, kann sie nicht nur ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Inklusion leisten. Die Herausforderung besteht darin, die einzigartige Natur der Region mit den Bedürfnissen aller Besucher in Einklang zu bringen.