Sensationeller Textilfund in Bremen: 7.000 mittelalterliche Fragmente entdeckt

Archäologen haben in Bremen den größten mittelalterlichen Textilkomplex Deutschlands gefunden. Die 7.000 Fragmente aus dem 16. Jahrhundert geben einzigartige Einblicke in die bürgerliche Mode der Renaissance.

30. September 2024, 01:32  •  0 ansichten

Sensationeller Textilfund in Bremen: 7.000 mittelalterliche Fragmente entdeckt

In der Hansestadt Bremen wurde vor 17 Jahren ein außergewöhnlicher archäologischer Fund gemacht, der erst jetzt seine Geheimnisse preisgibt. Bei Erschließungsarbeiten zur Überseestadt im Jahr 2007 entdeckten Archäologen rund 7.000 mittelalterliche Textilfragmente, die als der bisher größte bekannte Textilkomplex dieser Zeit in Deutschland gelten.

Dieter Bischop von der Landesarchäologie Bremen bezeichnet die Entdeckung als "wahren textilen Schatz". Die Funde stammen aus einem um 1600 verfüllten Stadtgraben und umfassen eine beeindruckende Vielfalt an Kleidungsstücken wie Gewänder, Mützen, Strumpfhosen und Handschuhe. Besonders bemerkenswert ist, dass diese Textilien dem Bürgertum zugeordnet werden können, was einen seltenen Einblick in die Alltagskleidung der Renaissancezeit ermöglicht.

Die Entdeckung ist von großer Bedeutung, da Bremen eine über 1200-jährige Geschichte hat und als wichtiges Mitglied der Hanse eine zentrale Rolle im mittelalterlichen Handel spielte. Die Stadt erhielt bereits 1186 das Stadtrecht und entwickelte sich zu einem bedeutenden Handelsplatz, was sich auch in der Vielfalt der gefundenen Textilien widerspiegelt.

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Die Analyse der Gewebe erfolgte unter anderem durch die Textilrestauratorin Katja Wagner in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Textilmuseum in Krefeld. Die Untersuchungen offenbarten faszinierende Details wie applizierte Borten, Knopflöcher und Strickware. Diese Elemente geben Aufschluss über die Entwicklung der Mode und Textiltechnologie im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit.

Ein besonders interessantes Fundstück ist das sogenannte "Tiphoiken" - ein textiles Horn über der Stirn, das Teil eines Umhangs einer Bremer Dame war. Solche einzigartigen Entdeckungen unterstreichen die Bedeutung Bremens als Zentrum für Mode und Textilhandel in der Hansezeit.

Die Funde deuten auch darauf hin, dass sich in der Nähe des Fundorts eine Schneiderei befand. Dies passt zur Bedeutung der Schneiderzunft als eine der wichtigsten Handwerksgilden in mittelalterlichen Städten. Das Bürgertum brachte um 1600 seine Kleidung zum Flicken und Ändern in solche Werkstätten, was die Wichtigkeit der Textilwirtschaft in der damaligen Gesellschaft unterstreicht.

Arne Butt von der VGH Stiftung, die das Projekt fördert, betont die Bedeutung der Funde für weiterführende stadt- und landesgeschichtliche Forschungsfragen. Die Entdeckung ermöglicht es Historikern und Archäologen, neue Erkenntnisse über das Alltagsleben, die Handelsbeziehungen und die soziale Struktur Bremens in der frühen Neuzeit zu gewinnen.

Die Textilfragmente erzählen auch von den Herausforderungen, denen die Stadt in dieser Zeit gegenüberstand. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) und die wiederkehrenden Pestwellen hatten erhebliche Auswirkungen auf das Leben in Bremen. Die Verfüllung des Stadtgrabens mit Alltagsgegenständen, darunter die nun gefundenen Textilien, zeugt von den Umwälzungen dieser Epoche.

Diese sensationelle Entdeckung unterstreicht die Bedeutung archäologischer Forschung für unser Verständnis der Vergangenheit. Sie zeigt, wie selbst scheinbar alltägliche Gegenstände wie Kleidungsstücke wertvolle Einblicke in die Geschichte einer Stadt und ihrer Bewohner geben können.

"Diese seltenen Stoffe verraten viel mehr über die Kleidung der frühen Neuzeit und ihre Herstellung als zeitgenössische Gemälde oder die wenigen erhaltenen Gewänder des Adels aus dieser Zeit."

Dieter Bischop, Landesarchäologie Bremen

Die Bremer Textilfunde sind nicht nur von lokaler, sondern auch von nationaler und europäischer Bedeutung. Sie ergänzen unser Wissen über die Textilproduktion und den Textilhandel in der Hansezeit und bieten einen einzigartigen Einblick in die Modegeschichte des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit.