Russlands Armee: Zwischen Grenzübertritten und internen Herausforderungen

Ukrainische Truppen dringen in Kursk ein, während Russlands Armee mit strukturellen Problemen kämpft. Experten analysieren den Zustand der Streitkräfte und die Auswirkungen des Krieges.

25. September 2024, 07:11  •  0 ansichten

Russlands Armee: Zwischen Grenzübertritten und internen Herausforderungen

Die jüngsten Ereignisse an der russisch-ukrainischen Grenze werfen ein Schlaglicht auf den Zustand der russischen Streitkräfte. Am 23. September 2024 drangen ukrainische Truppen in die russische Region Kursk ein, was Fragen zur Verteidigungsfähigkeit Russlands aufwirft. Rafael Loss, Experte für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik am European Council on Foreign Relations, bietet Einblicke in die komplexe Situation der russischen Armee.

Die russische Armee, 1992 nach dem Zerfall der Sowjetunion gegründet, ist heute die fünftgrößte aktive Militärstreitmacht weltweit. Trotz ihrer Größe und einer umfassenden Militärreform im Jahr 2008 kämpft sie mit erheblichen strukturellen Problemen. Loss erklärt:

"Die Qualität der russischen Streitkräfte ist traditionell nicht besonders hoch. Der Wert liegt in der Masse, nicht in der Klasse."

Rafael Loss

Diese Problematik reicht bis in die Sowjetzeit zurück. Die mangelhafte Ausrüstung und Versorgung der Soldaten bleibt ein anhaltendes Problem. Ein Insider aus dem russischen Verteidigungsministerium beschrieb die Ausrüstung im Mai 2024 als "verrottet".

Neben materiellen Mängeln kämpft die Armee mit internen Gewaltstrukturen. Das als "dedowschtschina" bekannte System der Gewalt gegen Wehrdienstleistende führt zu hohen Raten von Misshandlung und Selbstverletzung. Vor dem Krieg waren laut unabhängigen NGOs 44 Prozent aller Todesfälle in den Streitkräften auf Suizid zurückzuführen.

Der anhaltende Krieg in der Ukraine verschärft diese Probleme. Berichte über mangelnde Verpflegung, unzureichende medizinische Versorgung und verlängerte Einsatzzeiten häufen sich. Die Rückkehr traumatisierter Veteranen stellt die russische Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Laut Bloomberg stieg die Zahl der Gewaltverbrechen unter zurückgekehrten Veteranen im Juni 2024 um 20 Prozent.

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Trotz dieser internen Schwierigkeiten bleibt Russland eine bedeutende Militärmacht. Es verfügt über das größte Atomwaffenarsenal der Welt, eine der größten Panzerarmeen und die zweitgrößte Luftwaffe. Die russische Marine unterhält eine der umfangreichsten U-Boot-Flotten weltweit. In den letzten Jahren hat Russland verstärkt in Bereiche wie Hyperschallwaffen und Cyberwarfare investiert.

Die jüngsten Grenzübertritte ukrainischer Truppen scheinen für die russische Führung keine hohe Priorität zu haben. Loss erklärt:

"Es ist ganz offensichtlich, dass die russischen Streitkräfte ihre eigene Grenze nicht effektiv schützen. Die Priorität liegt auf dem Donbass."

Rafael Loss

Abschließend lässt sich sagen, dass die russische Armee trotz ihrer beeindruckenden Größe und Ausrüstung mit erheblichen internen Herausforderungen konfrontiert ist. Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und die Rückkehr traumatisierter Veteranen werden die russische Gesellschaft noch lange beschäftigen. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Faktoren auf die zukünftige Entwicklung und Einsatzfähigkeit der russischen Streitkräfte auswirken werden.