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Reformvorschlag: Mehr Mitsprache für Versicherte in Sozialsystemen

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Bundesbeauftragter fordert Verfassungsrang für soziale Selbstverwaltung und mehr Entscheidungsrechte für Versicherte. Ziel ist die Stärkung der Demokratie in den Sozialversicherungen.

In Deutschland wird eine umfassende Reform des Sozialversicherungssystems diskutiert. Peter Weiß, der Bundesbeauftragte für die Sozialwahlen, hat einen Vorschlag zur Stärkung der Demokratie und Stabilisierung der Sozialsysteme vorgelegt. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete fordert eine Verankerung der sozialen Selbstverwaltung im Grundgesetz.

Das deutsche Sozialversicherungssystem, das älteste der Welt, wurde 1881 von Otto von Bismarck eingeführt. Heute umfasst es fünf Hauptzweige: Kranken-, Renten-, Arbeitslosen-, Unfall- und Pflegeversicherung. Etwa 90% der deutschen Bevölkerung sind in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, die etwa 95% der Gesamtbevölkerung abdeckt.

Weiß argumentiert, dass die Versicherten mehr Mitsprache bei Leistungen und Beiträgen haben sollten. Dies betrifft die Selbstverwaltungsgremien der bestehenden Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts in allen Versicherungszweigen. Das Sozialbudget in Deutschland betrug 2022 über 1 Billion Euro, wobei die Deutsche Rentenversicherung den größten Einzelposten im Bundeshaushalt darstellt.

Die Notwendigkeit einer Reform wird durch die sinkende Wahlbeteiligung bei den Sozialwahlen unterstrichen. Bei den jüngsten Wahlen im Jahr 2023 waren rund 52 Millionen Menschen wahlberechtigt, aber nur etwa jeder Fünfte nahm teil. Im Vergleich zu 2017 sank die Beteiligung um fast acht Prozentpunkte. Die Sozialwahlen, die seit 1953 alle sechs Jahre stattfinden, haben traditionell eine niedrigere Beteiligung als politische Wahlen.

Die Autoren des Abschlussberichts für die zurückliegenden Sozialwahlen sehen Potenzial für "interessante Wahlkämpfe" in der Sozialversicherung. Sie stellen die Frage: "Habe ich die Wahl zwischen geringeren Leistungen, Selbstbehalten, begrenzter Auswahl an Leistungserbringern usw. bei gleichzeitiger Verringerung meiner Beitragslast?" Allerdings entscheidet derzeit in der Regel der Gesetzgeber über diese Fragen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach die Bedeutung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung betont. Die Sozialversicherung in Deutschland basiert auf dem Solidaritätsprinzip, wobei die Beiträge zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen werden. Der aktuelle Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung beträgt 18,6% des Bruttoeinkommens.

Eine Reform könnte auch die Transparenz erhöhen. Viele Versicherte wissen möglicherweise nicht, dass ihre Sozialversicherungsnummer aus 12 Ziffern besteht oder dass die Beitragsbemessungsgrenze jährlich angepasst wird. Durch mehr Mitsprache und Entscheidungsrechte könnten die Versicherten ein besseres Verständnis für das System entwickeln.

Die Forderung nach einer Verfassungsänderung ist ein bedeutender Schritt. Sie zielt darauf ab, die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung zu stärken und die Interessen der Versicherten und Arbeitgeber besser zu vertreten. Ob dieser Vorschlag umgesetzt wird, bleibt abzuwarten, aber er hat eine wichtige Debatte über die Zukunft des deutschen Sozialversicherungssystems angestoßen.

Johanna Walter

Wirtschaft