fdp-veteran-warnt-vor-koalitionsausstieg-nach-wahlniederlagen

FDP-Veteran warnt vor Koalitionsausstieg nach Wahlniederlagen

 • 0 views

Ex-Innenminister Gerhart Baum mahnt FDP zur Koalitionstreue trotz Wahlschlappen. Er fordert breiteres Politikangebot und warnt vor möglichem Bundestagsausschluss bei Neuwahlen.

Nach den jüngsten Wahlniederlagen der FDP in Ostdeutschland regt sich innerhalb der Partei Widerstand gegen die Ampelkoalition. Gerhart Baum, ehemaliger Bundesinnenminister und FDP-Urgestein, warnt jedoch eindringlich vor einem möglichen Austritt aus dem Regierungsbündnis.

Baum, der vor 46 Jahren das Amt des Bundesinnenministers innehatte, äußerte sich besorgt gegenüber der "Rheinischen Post": "Die FDP darf auf keinen Fall aus der Ampelkoalition aussteigen. Das wäre Selbstmord." Der 91-jährige Politiker, der die Gründung der FDP im Jahr 1948 miterlebt hat, warnte vor den möglichen Konsequenzen eines Koalitionsaustritts. Bei Neuwahlen bestünde die Gefahr, dass die Liberalen den Einzug in den Bundestag verpassen könnten.

Die FDP, die seit 2021 Teil der Ampelkoalition ist, steht vor erheblichen Herausforderungen. Bei den kürzlich abgehaltenen Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg erzielte die Partei nur marginale Ergebnisse und verfehlte den Einzug in die jeweiligen Landtage deutlich. Diese Entwicklung erinnert an die Zeit von 2013 bis 2017, als die FDP nicht im Bundestag vertreten war.

Baum mahnte seine Partei, sich um ein breiteres Politikangebot zu bemühen. Obwohl die Sorge um finanzpolitische Stabilität und Wirtschaftswachstum wichtig sei, dürfe dies nicht das alleinige Ziel der Liberalen sein. "Wir erleben eine krisenhafte Zuspitzung in der Weltpolitik, die es so in Jahrzehnten nicht gegeben hat. Und wir haben als FDP dazu nicht die nötigen Perspektiven", kritisierte er.

Der erfahrene Politiker empfahl seiner Partei, sich verstärkt für den Erhalt von Kernbranchen wie der Auto-, Chemie- und Stahlindustrie einzusetzen, notfalls auch mit staatlichen Hilfen und Beteiligungen. Diese Haltung steht im Kontrast zur traditionell wirtschaftsliberalen Politik der FDP, die sich seit ihrer Gründung für eine soziale Marktwirtschaft einsetzt.

Innerhalb der FDP, die aktuell etwa 75.000 Mitglieder zählt, gibt es unterschiedliche Stimmen zur Zukunft der Koalition. Wolfgang Kubicki, stellvertretender Bundesvorsitzender seit 2013, äußerte Zweifel daran, ob die Ampelkoalition bis Weihnachten Bestand haben wird. Christian Lindner, seit 2013 Bundesvorsitzender der FDP, sprach von einem "Herbst der Entscheidungen" und betonte die Notwendigkeit, wichtige Fragen in der Wirtschaftspolitik, beim Haushalt und bei der Kontrolle der Zuwanderung zu klären.

Die FDP, die bei der Bundestagswahl 2021 11,5% der Stimmen erreichte und aktuell 92 Sitze im Bundestag hat, steht vor der Herausforderung, ihre Position in der Koalition zu festigen und gleichzeitig ihre liberalen Grundwerte zu wahren. Die Partei, die sich traditionell für Bürgerrechte, Datenschutz und eine liberale Drogenpolitik einsetzt, muss nun beweisen, dass sie auch in Krisenzeiten handlungsfähig bleibt.

"Die FDP darf auf keinen Fall aus der Ampelkoalition aussteigen. Das wäre Selbstmord."

Gerhart Baum

Trotz der aktuellen Schwierigkeiten bleibt die FDP ein wichtiger Akteur in der deutschen Politik. Als Mitglied der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und mit ihrer Jugendorganisation, den Jungen Liberalen, verfügt die Partei über ein breites Netzwerk. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die FDP den von Lindner ausgerufenen "Herbst der Entscheidungen" nutzen kann, um ihre Position zu stärken und ihre Rolle in der Ampelkoalition neu zu definieren.

Kerstin Dresner

Wirtschaft