Untersuchungsausschuss zur NRW-Richteraffäre: Erste Zeugenaussagen und neue Kontroversen

Der Untersuchungsausschuss zur Richteraffäre in NRW hat mit Zeugenvernehmungen begonnen. Widersprüchliche eidesstattliche Versicherungen und Kritik am Besetzungsverfahren sorgen für Diskussionen.

30. September 2024, 21:16  •  0 ansichten

Untersuchungsausschuss zur NRW-Richteraffäre: Erste Zeugenaussagen und neue Kontroversen

Der Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zur sogenannten Richteraffäre hat kürzlich mit den ersten Zeugenvernehmungen begonnen. Im Fokus steht die umstrittene Besetzung der Präsidentenstelle am Oberverwaltungsgericht (OVG), dem höchsten Verwaltungsgericht des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Deutschlands.

Ein Abteilungsleiter des Justizministeriums, der als erster Zeuge aussagte, betonte, dass der Vorgang für ihn lange Zeit nicht außergewöhnlich erschien. Er bat um Verständnis für mögliche Erinnerungslücken. Der Beamte versicherte, dass es keine Versuche der Einflussnahme gegeben habe und Benjamin Limbach (Grüne), der Justizminister von Nordrhein-Westfalen, ihn um eine ergebnisoffene Prüfung gebeten habe.

Eine Referatsleiterin, die die Bewerberbeurteilungen verglich, bestätigte ebenfalls, dass sie keiner Einflussnahme ausgesetzt war. Sie beschrieb den Vergleichsprozess als komplex, da mehrere Kandidaten über Bestnoten und ähnliche Profile verfügten. Die Bestenauswahl, ein wichtiges Prinzip bei der Besetzung öffentlicher Ämter in Deutschland, sei in diesem Fall besonders herausfordernd gewesen.

Für Aufsehen sorgen zwei eidesstattliche Versicherungen eines Bundesrichters und eine von Benjamin Limbach, die sich in mindestens zwei Punkten widersprechen. Eidesstattliche Versicherungen sind in Deutschland strafbewehrt und können bei Falschaussage zu rechtlichen Konsequenzen führen. Die Widersprüche betreffen ein empfohlenes Gespräch mit dem Staatskanzleichef und die Interpretation eines Gesprächs vom 11. November 2022.

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Die SPD-Obfrau Nadja Lüders kritisierte, dass fast 20.000 Seiten Beweismaterial erst dreieinhalb Werktage vor der Vernehmung übermittelt wurden und die Personalakten der Bewerber noch fehlten. Dies erschwert die Arbeit des Untersuchungsausschusses, der als parlamentarisches Gremium zur Aufklärung von Sachverhalten dient.

Zwei Verwaltungsgerichte hatten das Besetzungsverfahren zunächst gestoppt, wobei das Gericht in Münster scharfe Kritik äußerte und von manipulativer Verfahrensgestaltung sprach. Das Oberverwaltungsgericht als zweite Instanz hatte keine Bedenken, doch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das höchste Gericht Deutschlands, hob die OVG-Entscheidung teilweise auf und verwies sie zurück.

Der Untersuchungsausschuss soll nun klären, ob bei der Besetzung der Präsidentenstelle Vettern- oder Parteibuchwirtschaft eine Rolle spielten. Vetternwirtschaft bezeichnet die Bevorzugung von Verwandten oder Bekannten, während Parteibuchwirtschaft sich auf die Besetzung von Positionen aufgrund der Parteizugehörigkeit bezieht.

Die Kontroverse wird dadurch verstärkt, dass die letztendlich ausgewählte Bewerberin eine Duz-Bekanntschaft und ehemalige Kollegin von Justizminister Limbach ist. Sie soll ihr Interesse an der Stelle bei einem privaten Abendessen bekundet haben. Der unterlegene Bundesrichter, der wie die ausgewählte Bewerberin der CDU angehören soll, ging gegen die Entscheidung gerichtlich vor.

"Ich erhielt einen Anruf des Justiziars der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. In dem Telefonat forderte dieser mich auf, meine Bewerbung zurückzuziehen. Koalitionskreise in Düsseldorf hätten sich auf die Frau geeinigt."

Eidesstattliche Versicherung des Bundesrichters

Diese Aussage wirft weitere Fragen zur Rolle von Parteistrukturen und möglichen Absprachen bei der Stellenbesetzung auf. Der Untersuchungsausschuss steht vor der Herausforderung, die komplexen Vorgänge aufzuklären und mögliche Unregelmäßigkeiten im Besetzungsverfahren aufzudecken.