88-Jähriger nach 56 Jahren in Todeszelle freigesprochen

Ein japanischer Mann wurde nach über fünf Jahrzehnten in der Todeszelle für unschuldig erklärt. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf Japans umstrittenes Justizsystem und die Todesstrafe.

26. September 2024, 07:40  •  280 ansichten

88-Jähriger nach 56 Jahren in Todeszelle freigesprochen

Ein bemerkenswerter Fall der Justizgeschichte hat in Japan für Aufsehen gesorgt. Ein 88-jähriger Mann, der als am längsten in einer Todeszelle inhaftierter Häftling weltweit gilt, wurde nach 56 Jahren für unschuldig erklärt. Das Bezirksgericht in Shizuoka verkündete am Donnerstag den Freispruch des ehemaligen Boxers, der 1968 wegen Mordes zum Tode verurteilt worden war.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf das japanische Justizsystem, das für seine hohe Verurteilungsrate von über 99% bekannt ist. Kritiker bemängeln seit langem die Praxis der "Geständnisse unter Zwang", die auch in diesem Fall eine Rolle gespielt haben soll. Der Verurteilte hatte ausgesagt, in brutalen Verhören zu einem falschen Geständnis gezwungen worden zu sein.

Trotz der Widerrufung seines Geständnisses bestätigte der Oberste Gerichtshof 1980 das Todesurteil. Erst 2014, nach 46 Jahren im Todestrakt, ordnete ein Bezirksgericht überraschend die Wiederaufnahme des Verfahrens an, was zur vorläufigen Freilassung des Mannes führte.

Image

Die Haftbedingungen für zum Tode Verurteilte in Japan gelten als besonders hart. Verurteilte verbringen oft Jahre in Einzelhaft und erfahren erst am Tag ihrer Hinrichtung von ihrem Schicksal. Diese Praxis hat internationale Kritik hervorgerufen, insbesondere von Organisationen wie Amnesty International.

Japan ist neben den Vereinigten Staaten die einzige große demokratische Industrienation, die die Todesstrafe noch vollstreckt. Die Hinrichtungen werden durch Erhängen durchgeführt, und die letzte fand im Dezember 2023 statt. Trotz internationaler Kritik zeigen Umfragen, dass die Mehrheit der japanischen Bevölkerung die Todesstrafe unterstützt.

Der Fall des 88-Jährigen hat erneut Debatten über die Notwendigkeit von Reformen im japanischen Strafrechtssystem ausgelöst. Obwohl Japan eine der niedrigsten Kriminalitätsraten weltweit hat, gibt es Bedenken hinsichtlich der Fairness des Justizsystems. Das Land führte erst 2009 ein Jury-System ein, und es gibt keine DNA-Datenbank für Kriminelle.

Die japanische Verfassung verbietet "grausame Bestrafungen", was zu anhaltenden Diskussionen über die Verfassungsmäßigkeit der Todesstrafe führt. Es gibt Bewegungen für ein Moratorium, aber bisher ohne Erfolg. Die Rehabilitation von Straftätern ist ein wichtiger Aspekt des japanischen Strafsystems, steht jedoch im Widerspruch zur Praxis der Todesstrafe.

Der Freispruch des 88-Jährigen nach über fünf Jahrzehnten in der Todeszelle ist ein seltener Fall von Justizirrtum, der korrigiert wurde. Er unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Überprüfung von Todesurteilen und wirft Fragen zur Zuverlässigkeit von unter Zwang erlangten Geständnissen auf.

"Ich wurde gezwungen, die Tat zu gestehen. Die Beweise waren gefälscht."

Aussage des freigesprochenen Mannes

Dieser Fall könnte als Katalysator für weitere Diskussionen über Justizreformen in Japan dienen, insbesondere angesichts der alternden Bevölkerung des Landes, die auch das Justizsystem beeinflusst. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Freispruch zu einem Umdenken in der japanischen Gesellschaft bezüglich der Todesstrafe führen wird.