Die vor sechs Monaten eröffnete Gewaltschutzambulanz am Klinikum Bremen-Mitte zieht eine erste Bilanz, die Anlass zur Sorge gibt. Mehr als 90 Betroffene haben bereits die Dienste der Einrichtung in Anspruch genommen, was die Erwartungen deutlich übertrifft.
Dr. Saskia Etzold, die ärztliche Leiterin, äußert sich besorgt über die hohe Zahl der Hilfesuchenden. Die Ambulanz bietet Opfern von Gewaltdelikten die Möglichkeit, ihre Verletzungen rechtsmedizinisch dokumentieren zu lassen. Diese Dokumentation kann für spätere rechtliche Schritte von großer Bedeutung sein.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Untersuchungen auch vertraulich, ohne eine Anzeige, durchgeführt werden können. Die Aufzeichnungen werden bis zu zehn Jahre aufbewahrt, was den Betroffenen langfristig Zugriff ermöglicht.
Case-Managerin Ramona Rohlwing berichtet, dass viele Frauen in der Ambulanz zum ersten Mal ihre Geschichte erzählen. Obwohl die Mehrheit der Hilfesuchenden Frauen sind, nutzen auch Männer das Angebot. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass etwa 20% der Opfer häuslicher Gewalt männlich sind.
Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, Claudia Bernhard, betont die Wichtigkeit der Einrichtung angesichts der steigenden Fälle von häuslicher und Partnerschaftsgewalt in Bremen. Sie setzt sich für eine nachhaltige Finanzierung über das Jahr 2026 hinaus ein. Für die Aufbauphase bis 2026 wurden bereits 1,2 Millionen Euro bereitgestellt.
Es ist alarmierend, dass weltweit etwa 30% der Frauen in Partnerschaften von häuslicher Gewalt betroffen sind. In Deutschland erlebt sogar jede vierte Frau mindestens einmal körperliche oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft. Die Gewaltschutzambulanz in Bremen ist Teil eines größeren Netzwerks von Hilfseinrichtungen, zu dem in Deutschland über 350 Frauenhäuser und 40 Männerschutzeinrichtungen gehören.
Die hohe Nachfrage nach den Diensten der Bremer Gewaltschutzambulanz unterstreicht die Notwendigkeit solcher Einrichtungen. Sie bieten nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch wichtige rechtliche Unterstützung für die Opfer. Die Dokumentation der Verletzungen kann in späteren Gerichtsverfahren eine entscheidende Rolle spielen.
Es ist erwähnenswert, dass Deutschland seit 2002 ein Gewaltschutzgesetz hat und die "Istanbul-Konvention" zum Schutz vor häuslicher Gewalt unterzeichnet hat. Trotzdem bleibt häusliche Gewalt ein gravierendes gesellschaftliches Problem, das jährlich Kosten in Milliardenhöhe verursacht.
Die COVID-19-Pandemie hat die Situation noch verschärft, mit einem weltweiten Anstieg der Fälle häuslicher Gewalt. Auch neue Formen der Gewalt, wie digitales Stalking, nehmen zu. Besonders betroffen sind auch LGBTQ+ Personen, die überdurchschnittlich oft Opfer von Partnerschaftsgewalt werden.
Die Arbeit der Gewaltschutzambulanz in Bremen ist ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung dieses Problems. Sie bietet nicht nur medizinische Hilfe, sondern auch psychologische Unterstützung für die Opfer, die oft unter langfristigen Folgen wie posttraumatischen Belastungsstörungen leiden.
Die hohe Inanspruchnahme der Ambulanz zeigt, dass der Bedarf an solchen Einrichtungen groß ist. Es bleibt zu hoffen, dass die geplante langfristige Finanzierung umgesetzt wird, um diese wichtige Arbeit fortzusetzen und auszubauen.