Gauck warnt vor Sehnsucht nach autoritärer Führung in Deutschland

Ex-Bundespräsident Joachim Gauck analysiert bei "Caren Miosga" das Erstarken der AfD. Er sieht einen internationalen Trend und plädiert für kämpferisches Engagement statt Angst.

22. September 2024, 22:51  •  170 ansichten

Gauck warnt vor Sehnsucht nach autoritärer Führung in Deutschland

In der Sendung "Caren Miosga" vom 23. September 2024 analysierte der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck das Erstarken der AfD in Deutschland. Gauck, der von 2012 bis 2017 das höchste Staatsamt innehatte, betonte, dass dieses Phänomen nicht auf Deutschland beschränkt sei, sondern einen internationalen Trend darstelle.

Der Ex-Bundespräsident identifizierte zwei Hauptfaktoren für den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien:

  • Eine generelle Angst vor Veränderungen, die etwa ein Drittel der Bevölkerung betreffe.
  • Die spezifische historische Erfahrung Ostdeutschlands mit 56 Jahren politischer Ohnmacht.

Gauck warnte vor einer "Sehnsucht nach autoritärer Führung und Unterordnung" in Teilen der Gesellschaft. Er betonte, dass dies nicht gleichbedeutend mit einer Rückkehr zum Nationalsozialismus sei, sondern eher ein Misstrauen gegenüber der eigenen Fähigkeit zur politischen Gestaltung ausdrücke.

Die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach wies auf eine besorgniserregende Normalisierung rechtsextremer Tendenzen bei jungen Wählern hin. Sie beobachtete eine sinkende Hemmschwelle, mit solchen Ideen zu kokettieren.

Der Soziologe Steffen Mau betonte die Rolle sozialer Medien bei der politischen Sozialisation junger Menschen. Er sprach von einem "strukturellen Vorteil von Polarisierungsunternehmern" in diesen Plattformen.

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Die Diskussion berührte auch das Thema der wahrgenommenen Benachteiligung in Ostdeutschland. Umfragen zeigen, dass ein Großteil der Bevölkerung in Brandenburg, Sachsen und Thüringen sich als "Bürger zweiter Klasse" fühlt. Reuschenbach merkte an, dass die AfD in dieser Hinsicht eine Rolle übernommen habe, die früher der Linkspartei zugeschrieben wurde.

Gauck plädierte trotz der beunruhigenden Entwicklungen für ein "kämpferisches Engagement" anstelle einer "angststarren Zukunft". Er betonte die Notwendigkeit, die Debattenkultur zu stärken und sich aktiv für eine offene Gesellschaft einzusetzen.

"Wir werden lange unterschiedliche politische Kulturen haben in Deutschland. Das hängt aber nicht mit dem Charakter der Ostdeutschen zusammen. Viele denken ja, der Ossi sei undankbar, das ist Quatsch. Aber es gibt natürlich Unterschiede, und die zeigen sich beim Wählen."

Joachim Gauck

Die Diskussion verdeutlichte die komplexen Herausforderungen, denen sich die deutsche Demokratie gegenübersieht. Sie zeigte auch, dass die Bewältigung dieser Herausforderungen ein tieferes Verständnis historischer und sozialer Faktoren erfordert.