Berliner Unsicherheitsgefühl: Experte erklärt psychologische Hintergründe

Eine Umfrage zeigt: 80% der Berliner fühlen sich unsicher. Psychiater Andreas Heinz erläutert die Gründe für diese Wahrnehmung und gibt Einblicke in die psychologischen Mechanismen hinter dem Phänomen.

27. September 2024, 13:35  •  15 ansichten

Berliner Unsicherheitsgefühl: Experte erklärt psychologische Hintergründe

In der deutschen Hauptstadt Berlin, bekannt für ihre reiche Geschichte und kulturelle Vielfalt, herrscht laut einer aktuellen Umfrage ein weit verbreitetes Gefühl der Unsicherheit. Fast 80 Prozent der Berliner gaben an, sich in ihrer Stadt nicht sicher zu fühlen. Diese Ergebnisse werfen Fragen auf, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Berlin im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten eine relativ niedrige Kriminalitätsrate aufweist.

Andreas Heinz, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der renommierten Charité, einer der größten Universitätskliniken Europas, bietet Einblicke in die psychologischen Mechanismen hinter diesem Phänomen. Er betont, dass Angst ein subjektives Empfinden ist, das von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird.

Laut Heinz spielen Medienberichte über Kriminalität, persönliche Erfahrungen und sichtbare soziale Probleme eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Unsicherheitsgefühlen. Interessanterweise hat die Corona-Pandemie, die vor etwa vier Jahren begann, diese Ängste verstärkt. Die lange Isolation und die daraus resultierende Veränderung sozialer Interaktionen haben die Stimmung in der Stadt spürbar beeinflusst.

"Meine subjektive Wahrnehmung ist, dass die Ängste der Menschen seit der Corona-Pandemie größer geworden sind. Die Menschen waren lange Zeit voneinander isoliert. Jetzt scheint die Stimmung angespannt zu sein, viele gehen genervt miteinander um."

Andreas Heinz erklärt:

Der Experte weist darauf hin, dass die tatsächlichen Kriminalitätsstatistiken oft nicht genau genug in den Medien behandelt und eingeordnet werden. Dies kann zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität führen. Es ist erwähnenswert, dass Berlin, trotz seiner Größe und Vielfalt, im internationalen Vergleich sehr niedrige Tötungsraten aufweist.

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Heinz betont die Bedeutung sozialer Medien und des Internets bei der Verbreitung von Ängsten. Er zieht einen interessanten historischen Vergleich zur Erfindung des Buchdrucks, als der "Hexenhammer" nach der Bibel das zweithäufigst gedruckte Buch war und zur Verbreitung von Fehlinformationen und Ängsten beitrug.

Die Auswirkungen eines von Ängsten beherrschten gesellschaftlichen Klimas sind weitreichend. Heinz warnt vor einem möglichen Verfall in Pessimismus, der sich bereits auf verschiedene Bereiche auswirkt. Er vergleicht die Situation mit anderen Ländern wie den USA und Großbritannien, wo deutlich mehr Start-ups gegründet werden - ein Zeichen für eine positivere Grundstimmung.

Um trotz gefühlter Unsicherheit entspannter durchs Leben zu gehen, empfiehlt Heinz den Aufbau sozialer Netzwerke und gesellschaftliches Engagement. Er betont die Wichtigkeit, gemeinsam als Gesellschaft Lösungen zu finden, anstatt die Verantwortung auf einzelne Personen oder Politiker abzuwälzen.

Abschließend ist es wichtig zu betonen, dass Berlin, trotz der wahrgenommenen Unsicherheit, eine Stadt mit einer reichen Kultur und Geschichte bleibt. Mit über 180 Museen, 440 Galerien und als Heimat von drei UNESCO-Weltkulturerbestätten bietet die Stadt zahlreiche Möglichkeiten für positive Erfahrungen und kulturelle Bereicherung. Die Herausforderung besteht darin, ein ausgewogenes Bild der Stadt zu vermitteln und gemeinsam an Lösungen für die bestehenden Probleme zu arbeiten.