Der Thüringer Landtag befindet sich in einer unerwarteten Krise, nachdem die erste Sitzung nach der Wahl am 26. September 2024 in einem Eklat endete. Die 88 Abgeordneten konnten sich nicht einmal auf die Feststellung der Beschlussfähigkeit einigen, was die Funktionsfähigkeit des Parlaments in Frage stellt.
Im Zentrum des Konflikts steht der Streit um die Rechte des Alterspräsidenten Jürgen Treutler von der AfD. Als stärkste Fraktion mit 32 Sitzen hat die AfD das Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten, jedoch keine Garantie für dessen Wahl. Die anderen Fraktionen - CDU, BSW, Linke und SPD - werfen Treutler vor, ihre parlamentarischen Rechte zu beschneiden und das demokratische Mehrheitsprinzip zu missachten.
Die Situation eskalierte, als Treutler Wortmeldungen, Anträge und eine Debatte über Änderungen der Geschäftsordnung nicht zuließ. Dies führte zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen und Unterbrechungen der Sitzung. CDU-Chef Mario Voigt bezeichnete Treutlers Verhalten als "Angriff auf parlamentarische Rechte, auf die Verfassung und auf jeden einzelnen Abgeordneten".
Um den Konflikt zu lösen, haben die Fraktionen von CDU, BSW, Linke und SPD das Thüringer Verfassungsgericht angerufen. Sie fordern eine Klärung der Regeln für den Alterspräsidenten und das Recht aller Fraktionen, Kandidaten für das Amt des Landtagspräsidenten vorzuschlagen.
Das Verfassungsgericht, das seit 1993 besteht, steht nun vor der Aufgabe, in einem Eilverfahren über den Antrag zu entscheiden. Eine Entscheidung wird frühestens am 27. September 2024 erwartet. Die Richter werden ohne mündliche Verhandlung beraten, um dem Zeitdruck gerecht zu werden.
Der Jurist Maximilian Steinbeis, Gründer des renommierten Verfassungsblogs, betont, dass die AfD als stärkste Fraktion lediglich das Recht hat, einen Kandidaten vorzuschlagen, nicht aber dessen Wahl zu erzwingen. Die endgültige Entscheidung liege bei den Abgeordneten des Landtags.
Die politische Landschaft Thüringens ist bekannt für ihre Komplexität und starken Extreme. Bereits 2020 erlebte das Bundesland eine Regierungskrise nach der umstrittenen Wahl eines FDP-Politikers zum Ministerpräsidenten. Die aktuelle Situation unterstreicht die anhaltenden Spannungen zwischen der AfD und den etablierten Parteien.
Die Unterbrechung der Landtagssitzung bis zum 28. September 2024 gibt den Verfassungsrichtern Zeit für ihre Entscheidung. Es bleibt abzuwarten, ob bis dahin eine Lösung gefunden wird, die es dem Thüringer Landtag ermöglicht, seine Arbeit ordnungsgemäß aufzunehmen und einen Landtagspräsidenten zu wählen.
Die Krise im Thüringer Landtag verdeutlicht die Bedeutung parlamentarischer Gepflogenheiten und die Notwendigkeit einer klaren Geschäftsordnung. Sie zeigt auch, wie wichtig die Gewaltenteilung und die Rolle des Verfassungsgerichts als Schiedsrichter in politischen Konflikten sind.
"Was Sie hier betreiben, ist Machtergreifung."
Diese Aussage unterstreicht die Schwere des Konflikts und die Befürchtungen der Opposition hinsichtlich des Verhaltens der AfD. Die kommenden Tage werden zeigen, ob der Thüringer Landtag zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zurückfinden kann, um die drängenden Aufgaben des Bundeslandes anzugehen.